Reisebericht 2001

Afrika in Bewegung – (Initiativen von unten)
Bericht über eine Reise nach Guinea-Bissau im Januar 2001

1. Zerstörung und Wiederaufbau in Bissau

Die Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt von Bissau mit dem toca-toca, dem allafrikanischen Sammeltaxi, in dem man sich auf zwei harten Bankreihen eng aneinander gedrängt gegenüber sitzt, manchmal auch noch in der Mitte drängt und durch toc-toc zu erkennen gibt, dass man aussteigen möchte, macht einige zentrale Probleme Bissaus, aber auch kreative Lösungsansätze deutlich. Neuerdings werden die Haltestellen vom Flughafen zum Markt von Bandim ausgerufen. Die erste ist das Haus unseres Freundes Andreas, cau di André, dann kommen u.a. Polon di Brá, der große Baum, der zum Symbol für die Kämpfe zwischen den Truppen Ansumane Manes und Präsident Nino Vieiras wurde, Escola – eine große Schule in der Nähe des INEP, Bambi, eine ehemalige Volvowerkstatt, jetzt ein privates Einkaufsparadies, und Bar Tambarina gegenüber dem Markt von Bandim, in der Nähe der Endhaltestelle der toca-tocas. Von dort wechseln die Passagiere in eins der zahlreichen blau-weißen Stadttaxis oder gehen zu Fuß, denn die Preise sind hoch. Das toca-toca kostet einheitlich 100 FCFA, ca. 30 Pfg., das Taxi zwischen 100 und 250 FCFA. Es ist gut, wenn man bei Tageslicht fährt, denn nachts liegt Bissau im Dunkeln und die Taxifahrten gelten als nicht ganz ungefährlich. Die zentrale Stromversorgung liegt wie eh und je brach, allerdings gibt es viele private Generatoren, und einige Leute experimentieren mit Solarenergie.
Vom Taxi aus kann man sehen, dass noch viele Gebäude in Bissau zerstört sind, aber ins Auge springt das nur bei einigen zentralen Komplexen, am deutlichsten den Kasernen von Brá, einigen Häusern in deren Nähe, und beim französischen Kulturzentrum in der Innenstadt. Viele Einrichtungen sind zwar nicht (mehr) zerstört, aber funktionieren nur eingeschränkt, so das Hotti-Hotel, einst das Paradehotel für ausländische Delegationen. Auffallend der Wieder-aufbau und strahlend rosa Anstrich der großen Schule an der Straße zum Flughafen, während die Gebäude rund um das INEP noch düster wirken.

 

2. Handel und Wandel

Wir hatten den Eindruck, gestützt auf eigene Anschauung und Gespräche mit Freunden, aber nicht auf statistisch gesicherte Erkenntnisse, dass eher Handel als Gewerbe das Geschäfts-leben in Guinea-Bissau bestimmt. Das ist nicht neu, aber es scheint einige Veränderungen zu geben. Die private Initiative wurde offenbar durch die Kriegsereignisse nicht nur gehemmt, sondern im Gegenteil auch angeregt. Der Handel ist am sichtbarsten: Der Markt von Bandim ist inzwischen so groß, eng, schmut-zig, unübersichtlich, internationale und angeblich gefährlich, daß wir uns gar nicht hintrauten, sondern mit dem gerade wieder eröffneten Zentralmarkt in der Innenstadt vorliebnahmen. Auch der Kleinhandel -Souvenirs und Kleidung- auf den Straßenmärkten ist international westafrikanisch.
Die meisten traditionellen Handelsgeschäfte in der Innenstadt sind wieder eröffnet, haben aber noch Kundenmangel. Besonders gut florieren die Bars und Bistros, in denen Kaffee, Fruchtsäfte, Bier, Sandwiches und Kuchen serviert wird, aber auch an Restaurants fehlt es nicht. Wir besuchten vor allem die Bar Baiana in der Innenstadt, wo man jeden vorbei-kommen sieht, wenn man lange genug bleibt, und die kleine neue Bar unseres Freundes Vinzent Poungoura im Viertel Belem.
Auf den höheren Stufen des Handels, bei Ausrüstungsgegenständen, Baumaterialien, Heim-elektronik, Autoteilen usw., ist das Angebot reichhaltig, von Mavegro bis Nunes ∓ Irmão sind die traditionellen Geschäfte wieder aktiv, aber es wird über die hohen Preise geklagt. Im internationalen Handel sind neben den bekannten Firmen auch neue Im- und Exportgeschäfte und Beratungsfirmen tätig, die zum Teil von ehemaligen Regierungsangestellten gegründet wurden, aber auch von einer neuen Generation international ausgebildeter junger Guineer mit dem Laptop in der Hand. Einige große Baufirmen wie Soares Da Costa und Stenaks sind bisher nur sehr eingeschränkt wieder aktiv.
Ganz international ist das Cashewgeschäft, in dem sich offenbar viel Geld verdienen lässt, aber auch viel Geld eingesetzt werden muss. Es lockt selbst indische Geschäftsleute an. Eher in den Händen von Ausländern – Libanesen, Mauretaniern, Portugiesen, sind auch die Arztpraxen und Apotheken.

 

3. Reichtum und Armut

Die immer schon Armen, zum Beispiel alleinerziehende Frauen ohne Ausbildung und Familienrückhalt, sind auch weiterhin bitterarm, irgendwelcher Geldsegen geht an ihnen vorüber. Sie sind im Gegenteil durch die Kriegsereignisse noch ärmer geworden, weil sie fliehen mussten und ihren wenigen Besitz verloren haben. Besonders junge Frauen, aber auch viele junge Männer finden kaum regelmäßige Arbeit. Dennoch scheinen uns die Menschen besser gekleidet zu sein als früher, in Bissau hat sich die internationale Einheitskleidung T-Shirt und Jeans zumindest bei der Jugend stark verbreitet, während in Gabu der senegalesische Kleidungsstil – Rock oder pano, Bluse und Kopfputz aus Stoffen mit afrikanischen Mustern, vorherrschend ist. Ganz zweifellos gibt es eine ganze Reihe wohlhabende Leute in Guinea-Bissau, sie sind eine ziemlich internationale Gruppe, junge Leute mit neuem wie ältere mit traditionellem Wohlstand. Nicht alle verdanken ihn ihrer Nähe zur Macht, sondern manche haben auf einer guten Ausbildung, innovativen Ideen, internationalen Kontakten und harter Arbeit aufgebaut.

 

4. Staat und Gesellschaft

Die neue Regierung hat die alten Probleme geerbt und versucht offenbar weitgehend, auch die alten Lösungen zu übernehmen. Viele Bürger sind schon enttäuscht von Präsident Kumba Yala. Das staatliche Schul- und Gesundheitswesen liegen in Agonie, die Probleme der Armee sind keineswegs gelöst ganz im Gegenteil, da durch die Rekrutierung von beiden Parteien während des Kriegs die Zahl der Soldaten gegenüber Vorkriegszeiten etwa um das Dreifache gestiegen ist. Allerdings konzentrieren sich naturgemäß viele internationale Hilfsmaßnahmen auf diese Gebiete. Neu ist vielleicht, dass die Abhängigkeit der Gesellschaft von Staat und Verwaltung abnimmt. Wie es unser ACG-Freund Dr. Justino Biai, der in Leipzig tropische Landwirtschaft studiert hat und jetzt Mitarbeiter des INEP und eines Biosphärenprojekts auf Bubaque ist, ausdrückte, trennen sich auch in Guinea-Bissau wirtschaftliche und politische Macht voneinander, der Staat ist zwar ineffektiv, und ohne Geschenke kommt offenbar kein Geschäftsmann aus, aber gesellschaftliche Initiativen entfalten sich dennoch. Unser Eindruck war, dass die Zivilgesellschaft sich organisiert und nicht vorwiegend Apathie das öffentliche Leben bestimmt, sondern aktives Handeln auf vielen Gebieten.

 

Gesellschaftliche Initiativen von unten

Wir wollen einige Initiativen von unten, die wir während unseres gut zweiwöchigen Aufenthalts kennengelernt haben – fast eine Woche haben wir für die Reise Banjul-Bissau und Bissau-Gabu-Banjul verbraucht, den ACG- Mitgliedern vorstellen. Es gibt noch viele andere, die wir nicht besuchen konnten oder gar nicht kennen.

 

5. Initiativen in Bissau
· Das SITEC.

Das SITEC ist ein privates Computerzentrum, es ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, was Engagement und Privatinitiave in Bissau zu leisten imstande ist. Es wurde 1990 von unserem Freund Abdulai Sila, der in den 80er Jahren in Dresden Elektrotechnik studiert hat und außerdem als Schriftsteller hervorgetreten ist, und seinem Bruder Hamidou, der in den Vereinigten Staaten Elektrotechnik studiert hat, aufgebaut. Das SITEC wurde während des Krieges bombardiert und ausgeraubt bzw. zerstört, ist aber inzwischen wieder aufgebaut und besteht heute aus mehreren Abteilungen mit unterschiedlichen Diensten.

Computerunterricht im SITEC

Im Cybercafé können Personen im Internet surfen und E-mails verschicken, und in Kursen lernen Jugendliche und Erwachsene mit Computern bzw. dem Internet umzugehen. Besonders beeindruckend sind die Computerkurse für Kinder, in denen diese in einem integrierten Unterricht zunächst spielerisch und dann vertieft Computerkenntnisse sowie Englischkenntnisse erwerben. Im Augenblick arbeitet Abdulai Sila an einem Internetzugang per Satellit, der z.B. die Abhängigkeit vom Telefonnetz umgehen und damit den Internetzugang verbreitern würde. Abdulai Sila hat auch andere Initiativen kostenlos mit Computern ausgestattet.

 

· Das INEP – Nationales Institut für Studien und Forschung

Das INEP ist zwar ein staatliches Institut, aber sein Wiederaufbau ist vor allem der Initiative seiner Mitarbeiter zu danken. Während des Krieges war da INEP Kaserne für senegalesische Truppen, die dort gehaust haben, wie alle Besatzer das tun. Nach ihrem Abzug haben die Mitarbeiter selbst den Schutt weggeräumt, Hilfsorganisationen interessiert und Mittel eingeworben. Einige Abteilungen funktionieren schon wieder zufriedenstellend, andere kämpfen um das Nötigste. Das Ethnografische Museum ist noch geschlossen: In der Nationalbibliothek fehlt das Mobiliar, und es fehlen Regale und technische Hilfsmittel. Arbeitsraum im INEP Besonders traurig sieht es noch im Archiv aus, wo die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter fast unzumutbar sind. Sie hausen in Räumen ohne Fensterscheiben, durch die Hitze, Wind, Staub und Regen ziehen, es fehlen Sitzmöbel, Regale, Kartons für die Dokumente und Staubsauger gegen die dicken Staubschichten. Mit der Sicherung und Ordnung der noch vorhandenen wertvollen Dokumente muss ganz von vorn begonnen werden. Dennoch haben die Mitarbeiter den Mut nicht verloren, hoffen aber auf Hilfe.

Bibliothek des INEP

 

· AD – Acção para o Desinvolvimento – Aktion für Entwicklung

Diese Initiative wurde von Carlos da Silva Schwarz, „Pepito“, und einigen seiner Freunde aus dem Landwirtschaftsministerium im Stadtteil Quelélé ins Leben gerufen. Es geht um die inte-grierte Entwicklung eines ganzen Stadtviertels, die von einem Bürgerzentrum aus orientiert wird. Wir haben das Schulentwicklungs-Zentrum besucht, das mit den örtlichen Schulen zusammenarbeitet – die Schulklassen aus den örtlichen Schulen und ihre Lehrer kommen einmal in der Woche her, um am Computer und mit anderen zentralen pädagogischen Mitteln zu arbeiten, und den Kindergarten. Es gibt ein Sportstadion und einen Fußballverein, Musik-, Theater- und Tanzgruppen der Jugendlichen. Junge Leute sind es auch, die einen lokalen Radiosender, der mehrere Stunden täglich sendet, betreiben. Frauengruppen stellen Waren von hoher Qualität her, die vor allem an ausländische Delegationen verkauft werden, aber auch über Organisationen des „fairen Handels“ im Ausland vertrieben werden. AD wird von internationalen NROs unterstützt, dennoch ist es eine Initiative von unten, die die Aktivitäten der Bürger im Viertel bündelt und anregt. Wir haben von vielen Plänen gehört, die im Lauf der Zeit verwirklicht werden sollen.

 

· Tiniguena – Diese Erde gehört uns

Auch im Bairro de Belem, wo Tiniguena, eine Nicht-Regierungsorganisation, die im Umweltbereich arbeitet, angesiedelt ist, beginnen sich die Bürger in Bürgerversammlungen zu organisieren. Tiniguena hat wesentlich dazu beigetragen und einen Versammlungsraum erbaut, der den Bürgern auch zugänglich ist, wenn das Tiniguena-Büro nicht besetzt ist. Außerdem wurden die sanitären Bedingungen im Stadtviertel durch die Errichtung von 25 Latrinen verbessert. Tiniguena und AD arbeiten zusammen, so dass eine Vernetzung der Initiativen entsteht.

 

· Al Ansar

Die Organisation ist nach wie vor sehr aktiv, wir hatten aber aus Zeitmangel nicht die Möglichkeit, uns intensiver über den Stand der Entwicklung zu unterrichten.

 

· Radio Antena Mulher

Ein Projekt in der Planungsperiode ist ein Radiosender, der von Frauen für Frauen gemacht werden soll. Eine der Initiatorinnen ist Odete Semedo, im Augenblick Mitarbeiterin des INEP. Die Frauen wollen sich nicht bei anderen Sendern anschließen, weil sie ihre Ideen selbst verwirklichen wollen, wir hatten aber den Eindruck, dass sie dringend technischer Beratung bedürfen.

 

6. Initiativen auf Bubaque

Bubaque ist die Zentralinsel des Bijagós-Archipels, die wir zusammen mit Justino Biai besucht haben.. Während des Krieges war Bubaque einer der zentralen Flüchtlingsorte. Wie beengt dadurch die Lebenssituation war, wird deutlich, wenn man sich vorstellt, dass im Haus von Justino 15 Personen in zwei Zimmern wohnten. Während des Kriegs landeten auf Bubaque sogar kleine Flugzeuge. Jetzt ist kein Schiff mehr betriebsfähig, die Inseln sind nur mit den großen „Nhominka“-Fischerbooten (Pirogen) mit Außenbordmotor zu erreichen. Die Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten sind deshalb sehr eingeschränkt, und die meisten Flüchtlinge haben Bubaque wieder verlassen. Die Stimmung bei den Hoteliers ist schlecht, Touristen gibt es kaum, und auch die Fischer haben große Probleme, weil der Fischverkauf traditionell nach Bissau geht. Auch in Bubaque haben sich jedoch viele Initiativen entfaltet, und wir haben einige sehr interessante Entwicklungsinitiativen von unten kennengelernt.

 

· Eine Grundschule

Ein Lehrer, Domingos Mané, hat schon 1993 seine erste private Schule gegründet, musste sie aber wegen Geldmangel an die katholische Kirche abgeben. Jetzt hat er eine neue Schule gebaut für Kinder, die die staatlichen Einschreibgebühren ( 2000 FCFA pro Jahr) nicht zahlen können. Sie wird von 155 Schülerinnen und Schülern der Vorschulklasse bis Klasse 4 besucht. Die beiden Lehrer wechseln sich im einzigen Klassenraum ab, es ist sehr eng. Ein Grundstück für einen Erweiterungsbau ist schon vorhanden, noch fehlt das Geld für den Bau. Ausserdem fehlt Schulmaterial und Geld für die staatlichen Schulbücher.

Escola Passo a Passo com Amizade

 

· Das lokale Radio

Der Verantwortliche des Lokalradios in Bubaque, Filipe Cardoso, ist in Orango geboren, aber schon 14 Jahre in Bubaque, wo er im Projekt für Integrierte Entwicklung mitarbeitet. Seite 8 Jahren arbeitet er am Aufbau des Radios. Der Sender wurde 1992 von 7 Jugendlichen, lauter Freiwilligen, meist Schülern, aufgebaut und im Jahr 1999 der Bevölkerung übergeben. Als Träger des Radios fungiert ein Verein, dem derzeit mehr als 60 Mitglieder angehören. Im Dezember 1999 erhielt Radio Djan-Djan die offizielle Betriebslizenz und sendet seitdem täg-lich mehrere Stundent. Der Sendebereich umfasst die 20 bewohnten Inseln des Archipels und einen Teil des Festlands, sodass die isolierten Inselbewohner durch das Radio untereinander und mit dem Festland verbunden sind. Noch ist das Programm nicht interaktiv, dafür fehlt die technische Ausstattung, aber ein Anfang ist gemacht. Die Programme werden für alle Altersgruppen und beide Geschlechter gemacht, sie behandeln zum Beispiel Gesundheit, Landwirtschaft, Grundrechte. Frauen sind zwar interessierte Hörerinnen, beteiligen sich nach Filipe bisher aber noch zu wenig an der Programmgestaltung.
Notwendig für die Entwicklung von Radio Djan-Djan sind für Filipe Cardoso drei Dinge:
· ein eigenes Haus. 7.000 Backsteine sind schon vorhanden, auch das Grundstück.
· eine Ausbildung der Jugendlichen, zum Beispiel Seminare oder ein Praktikum bei einem Radio in einem portugiesischsprachigen Land für 1-2 Personen, und Seminare, geleitet durch Fachleute, auf Bubaque.
· modernere und vor allem mehr Ausrüstungsgegenstände.

Aufnahmestudio von Radio Djan-Djan  Senderaum von Radio Djan-Djan

· Naturheilkunde

Auf Bubaque haben wir auch die erste Praxis für Naturheilkunde auf wissenschaftlicher Grundlage kennengelernt. Sie wird von Umaro Mbake, einem in der Republik Elfenbeinküste ausgebildeten Botaniker und Heilpraktiker, in einem traditionellen Bauernhaus ausgeübt. Umaro sammelt seine Pflanzen selbst und trocknet sie wie die traditionellen Heiler, verarbeitet sie dann aber weiter. Zur Destillation fehlen ihm noch einige Geräte, dennoch sind erste Erfolge da. Umaro hält Kontakt mit dem staatlichen Gesundheitssystem und leitet Patienten, die er selbst nicht behandeln kann, weiter. Angesichts der hohen Preise der privaten Ärzte und Apotheker und des schlechten Zustands der staatlichen Krankenhäuser füllt er eine deutliche Lücke.

 

7. Initiativen in Catió

In Catió, dem Hauptort der südlichsten Provinz Tombali, haben wir nur einen kurzen Besuch mit Abdulai Sila gemacht. Die wichtigste Begegnung war die mit Dr. Agostinho Cá, einem in Leipzig ausgebildeten Mediziner und alten ACG-Mitglied. Mit ihm haben wir das örtliche Krankenhaus besichtigt. Agostinho Cá hat als Leiter des Krankenhauses mit der Hilfe von deutschen Freunden vom Rotary-Club Stuttgart (Ehepaar Schlüter) einige zentrale Verbesse-rungen bewerkstelligt. Es wurde ein Generator angeschafft, eine Anlage zur Verbrennung des hochgefährlichen Krankenhausmülls errichtet und die Basisversorgung mit Medikamenten gesichert. 1997 hat Dr. Cá die Leitung des Krankenhauses allerdings abgegeben, um eine urologische Fachausbildung in Italien zu beginnen. Das hat dazu geführt, dass seine Initiativen an Schwung verloren haben, der Gesamtzustand des Krankenhauses ist bedrückend. Für uns war das ein sehr eindrucksvolles Beispiel für die Tatsache, dass die Initiativen von unten von ihren Gründern und Mitstreitern leben. Wenn diese sie nicht mehr betreuen können, versacken sie leicht. Uns haben sich die Probleme folgendermaßen dargestellt.:

Müllverbrennungsanlage Krankenhaus Catió
· Der jetzige Direktor und sein Stellvertreter sind offenbar nicht in der Lage, die Reformen von Agostinho fortzuführen. Ihnen fehlen vermutlich Verbindungen nach aussen, und es gelingt ihnen nicht, die Bevölkerung selbst zu motivieren bzw. sie versuchen es nicht. Dasselbe gilt für den Gesundheitsbeauftragten der Region, Mario Gomes.
· Das führt zu einem Mangel an Ausstattung. Es fehlen Bettwäsche, Matratzen, Medikamente.
· Das Krankenhaus wirkt nicht sehr sauber, selbst im Operationszimmer liegt der Staub auf den Stühlen. Das deutet auf mangelnde Organisation und Motivation der Mitarbeiter hin.
· Es stehen viele Betten leer, Abdulai deutete an, dass die Qualität des Krankenhauses von den Patienten aktuell nicht hoch eingeschätzt wird.
· Die vom Rotary-Club gestiftete Müllverbrennungsanlage ist nur teilweise funktional – der Schornstein ist zu niedrig, der Ofen ist nicht geschlossen. Diese Mängel ließen sich leicht durch Eigenarbeit beheben, es waren aber keine Initiativen in dieser Richtung erkennbar. Dass Eigeninitiative der Bevölkerung auch hier möglich wäre, zeigt das Beispiel der Strom-versorgung in Catió: Da die finanziellen Mittel der Kommune nicht ausreichen, um den Generator zu betreiben und die Stromversorgung der Stadt zu garantieren haben sich die Bewohner zusammengeschlossen und tragen mit einem Monatsbeitrag von ca. 3000 FCFA (10,- DM) pro Familie die Kosten für die Stromerzeugung selbst. So haben sie täglich von 20.00 Uhr bis 23.00 Uhr Strom.

· Reisschälmaschinen

Abdulai Sila hat mit Hilfe der japanischen Kooperation in zwei Dörfern Reisschälmaschinen aufgestellt, die wir auf der Rückfahrt besichtigt haben. Eine Maschine lief sehr gut und war von Nutzern umgeben, die andere stand wegen technischer und organisatorischer Probleme still – auch hier fehlten verantwortungsbewusste und fähige Mitstreiter.

8. Fazit

Wir haben aus unseren Erfahrungen und den daran anknüpfenden Gesprächen mit unseren Freunden mehrere Schlüsse gezogen:
· Die Zivilgesellschaft gewinnt in Guinea-Bissau an Boden. Die Schöpfer privater Initiativen engagieren sich vor allem im Bereich von Bildung, Gesundheit, Energieversorgung und technischer Kommunikation.
· Obwohl die Initiativen staatliches Handeln nicht ersetzen können, geben sie den Bürgern Hoffnung und bieten vor allem jungen Leuten ein weiterführendes Betätigungsfeld. Die Mitarbeiter sind meist relativ gut ausgebildet und gehen mit viel Enthusiasmus, Kreativität und Einsatz ans Werk. Sie sammeln Erfahrungen, die sie auch in anderen Lebensbereichen nutzen können.
·Viele Initiativen profitieren von den Kontakten der Guineer, die im Ausland studiert oder gearbeitet haben. Die ehemaligen guineischen Studenten in Deutschland spielen in den Bürgerinitiativen eine große Rolle.
· Solche Initiativen sind vor allem in den Provinzen wichtig, weil sie junge Leute dort halten können. Sie sind aber auf eine gewisse Unterstützung von aussen angewiesen.